Eine Pulpitis ist eine Entzündung des Zahnmarks im Innern des Zahns. Hat sich eine unbemerkte Karies durch den ganzen Zahn “durchgearbeitet”, gelangen Bakterientoxine und Bakterien ins Zahnmark und lösen dort Abwehrreaktionen des Immunsystems aus. Die Zahnschmerzen einer akuten Pulpitis sind sprichwörtlich – und eine Wurzelkanalbehandlung ist in der Regel die Therapie der Wahl.

Darf ich vorstellen: die Pulpa

Sie liegt, von allen Seiten fest von Dentin umschlossen, im Innern des Zahns: die Pulpa, auch Zahnmark genannt. Sie besteht aus Bindegewebe und Bindegewebsfaser-produzierenden Zellen, im Bindegewebe eingelagerten kleinen und kleinsten Blutgefäßen, einem Nervengeflecht aus diversen Typen von Nervenfasern, und – ganz wichtig – Dentin-bildenden Zellen, den Odontoblasten. Die Hauptmasse der Pulpa steckt in der Pulpakammer der Zahnkrone, von der aus schmale Fortsätze durch die Wurzelkanäle Richtung Wurzelspitze verlaufen.

Über Dentintubuli – ein raffiniert gestaffeltes System winziger Kanälchen im Dentin, die letztlich bis an die Grenze zwischen Dentin und Schmelz reichen und Nervenfasern sowie Zellfortsätze der Odontoblasten enthalten – kommuniziert die Pulpa mit dem Rest des Zahns.

Von außen scheinbar so inert, ist ein Zahn in seinem Inneren also ganz entschieden am Leben: Hier brummt der Stoffwechsel, hier findet Zellteilung statt, hier werden ein Leben lang Dentin und neues Bindegewebe gebildet. Tatsächlich verkleinert sich die Pulpakammer mit den Jahren durch das an ihre Wände “tapezierte” Sekundärdentin deutlich!

Alarmanlage und Selbsthilfestation des Zahns

Über die Gesundheit des Zahns wachen in der Pulpa patroullierende Immunzellen und empfindliche Nervenfasern: Stimmt etwas nicht, schlagen sie Alarm, stimulieren automatische körpereigene Hilfs- und Reparaturmechanismen oder rufen – wenn das nichts nützt – via Schmerz den “Chef” des Ganzen zu Hilfe: Sie.

Ganz machtlos gegen die Angriffe von Karius und Baktus ist so ein Zahn nicht: Von außen hilft der Speichel bei der Remineralisierung kleiner Kariesläsionen, von innen können die Odontoblasten Pulpakammer und Wurzelkanäle durch Reparatur- (Tertiär-)dentin gegen Bakterienattacken und das Eindringen von Bakterientoxinen abdichten, Immunzellen können eingedrungene Bakterien erkennen und unschädlich machen. Gegen großflächige, tiefreichende Karies ist aber meist kein Selbstheilungs-Kraut mehr gewachsen: Dringen massiv Bakterien von außen in die Pulpa ein, kommen die Immunzellen mit der Eliminierung nicht mehr hinterher.

Die massive Entzündung, die sich dann entwickelt, wird zur Quelle der unangenehmen Zahnschmerzen, die auch den größten Zahnarztmuffel oder -zweifler zum zahnärztlichen Notdienst treiben.

Woher kommt der Schmerz?

Der Schmerz einer akuten Pulpitis entsteht, wie man es heute versteht, einerseits durch vom geschädigten Gewebe freigesetzte körpereigene Botenstoffe, die an Schmerzrezeptoren binden, und andererseits als Reaktion des Nerven auf den im Zuge der Entzündungsreaktion erhöhten Druck in Pulpakammer und Wurzelkanälen.

In anderen Körpergeweben ruft eine Entzündung eine Schwellung hervor, da sich der Blutfluss in das erkrankte Gewebe erhöht, um mehr Immunzellen an den Ort des Geschehens zu bringen. Im eng begrenzten Volumen des Zahninneren gibt es keine Möglichkeit zur Ausdehnung des Gewebes: Entsprechend steigt der Druck, und die Erregung mechanosensitiver Schmerzrezeptoren ist wohl verantwortlich für die ganz besondere Qualität von Zahnschmerzen. Beiträge verschiedener Typen von Nervenfasern macht den Schmerz zu einem “Konzert” dumpfer, pochender und scharfer, stechender Noten.

Reversibel oder irreversibel?

Wenn Sie mit Zahnschmerzen kommen, steht der Zahnarzt vor einer kleinen diagnostischen Herausforderung: Ist die Pulpitis reversibel oder irreversibel? Eine reversible Pulpitis heilt wieder aus, sobald ihre Ursache – die tief reichende Karies – beseitigt ist. Hier haben vielleicht nur bakterielle Toxine durch die Dentintubuli das Zahnmark erreicht, oder ein kleines Loch in der Pulpawand wurde durch Dentinreparaturen bereits wieder geflickt, so dass keine neuen Bakterien in die Pulpa gelangen können.

Eine irreversible Pulpitis dagegen bedeutet, dass Bakterien das Zahnmark massiv infiziert haben. Unbehandelt wird sich die Infektion auf das Gewebe rund um die Wurzelspitze ausbreiten, und das Zahnmark wird früher oder später absterben. Dadurch findet zwar der Schmerz ein Ende – der Zahn und seine Wurzelumgebung bleiben jedoch ein – jetzt “stummer” – Bakterienherd, der Erreger und Toxine in den Körper freisetzen kann.

Ob eine Pulpitis reversibel oder irreversibel ist, entscheidet über die Notwendigkeit einer Wurzelkanalbehandlung – und damit über nicht unerhebliche Kosten und zusätzlich im Zahnarztstuhl verbrachte Zeit.

Provokationstests: Wärme, Kälte, Perkussion

Ihr Zahnarzt wird sich daher die Diagnose nicht leicht machen. Die Unterscheidung zwischen reversibler und irreversibler akuter Pulpitis gelingt ganz klassisch anhand der Charakteristik des Schmerzes: Ein scharfer Schmerz durch heiße, kalte, süße und/oder saure Reize, der nach Beendigung des Reizes sofort aufhört, deutet auf eine reversible Pulpitis hin.

Der quälende Zahnschmerz, der den Zahnarztbesuch unaufschiebbar erscheinen lässt – spontan auftretender, anhaltender dumpfer Schmerz und Schmerz, der auch nach Beendigung auslösender Reize noch eine Zeitlang anhält – spricht fast immer für eine irreversible Pulpitis. Charakteristisch ist hier auch die Unsicherheit der Patienten über die genaue Lokalisation der Empfindung: Der Schmerz einer irreversiblen Pulpitis strahlt aus und kann in den Nachbarzähnen oder im gegenüberliegenden Kiefer gespürt werden.

Der Perkussions- (Klopf-)test ist ein recht sicheres Zeichen dafür, dass sich die Infektion bis zur Wurzelspitze ausgebreitet hat. Röntgenaufnahmen können klären, ob es bereits Entzündungssymptome im Knochengewebe um die Wurzelspitze gibt, und sie können helfen, ein gar nicht mit einem Zahn zusammenhängendes Krankheitsgeschehen im Kiefer als Ursache der Schmerzen auszuschließen.

Elektrische Sensibilitätstests können ganz genau zwischen vitaler und bereits abgestorbener, devitaler Pulpa unterscheiden. Für die Unterscheidung zwischen reversibler und irreversibler Entzündung der vitalen Pulpa sind sie dagegen weitgehend nutzlos.

Die Behandlung der akuten Pulpitis

Bei einer reversiblen Pulpitis genügt die Entfernung der Karies, Überkappung der freigelegten oder fast freigelegten Pulpa mit Calciumhydroxid oder Zinkoxid-Eugenol-Zement und die Restauration der Zahnkrone.

Besteht Verdacht oder Gewissheit einer irreversiblen Pulpitis, wird der Zahnarzt immer eine Wurzelkanalbehandlung empfehlen, ebenso bei abgestorbener Pulpa. Die Alternative wäre die Extraktion des Zahns. Aber – (fast) egal, wie die Krone aussieht – bei MeinZahn ist so gut wie jeder Zahn erhaltungswürdig. Wie eine moderne Wurzelkanalbehandlung mit dem OP-Mikroskop in unserer Ordination abläuft, lesen Sie hier.


(Foto: © yakobchuk viacheslav, shutterstock.com)

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