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Kofferdam – die Schutzmembran im Mund

Wenn Ihr Zahnarzt bei einer Wurzelkanalbehandlung, beim Eingliedern eines Keramikinlays oder bei der Amalgamsanierung den zu behandelnden Zahn schon einmal mit einer grünen, blauen oder violetten elastischen Membran von der übrigen Mundhöhle isoliert hat, waren Sie vielleicht überrascht oder sogar erschrocken. Aber seien Sie versichert: Mit einem Arzt oder einer Ärztin, die die Kofferdam-Technik anwenden, haben Sie es (trotz kleinem Kommunikationsproblem…) gut getroffen. Diese verhältnismäßig alte zahnmedizinische Technik ist heute nämlich weniger verbreitet, als sie es eigentlich nach wie vor zu sein verdient.

Geschichte des Kofferdams

Der Kofferdam ist fast so alt wie die Amalgamfüllung. Während aber Amalgamfüllungen bis weit über die Mitte des 20. Jahrhunderts buchstäblich “in aller Munde” waren, wurde die zunächst universal eingesetzte Kofferdam-Technik im 20. Jahrhundert durch die aufkommenden elektrischen Absauganlagen scheinbar überflüssig gemacht und geriet fast in Vergessenheit. Eine Renaissance erlebte der Kofferdam gegen Ende des 20. Jahrhunderts in der modernen Endodontie und in der Füllungstherapie mit Kompositen. Auch im Rahmen einer Amalgamsanierung wird er heute eingesetzt.

Kofferdam

Foto: © Christoph Hähnel, Fotolia.com

Das Problem des während einer zahnärztlichen Behandlung beständig fließenden Speichels wurde im 19. Jahrhundert durch Einbringen von Baumwollstreifen, Stoffservietten oder
Seidenpapier, durch manuelle Saugpumpen oder gar durch Abklemmen derAusführungsgänge der Speicheldrüsen adressiert. Bis der New Yorker Zahnarzt Sanford Christie Barnum 1864 im Alter von 25 Jahren eine segensreiche Erfindung machte (und sie ganz uneigennützig weiterverbreitete): Er perforierte einen Gummilappen, zog ihn über den zu behandelnden Zahn – und hatte so ein auch langfristig vollkommen trockenes Arbeitsfeld.

Der Kofferdam – woher kommt und was bedeutet eigentlich der Name? In der Sprache der Ingenieure ist ein Kofferdamm (oder englisch cofferdam) eine Abdämmung, ein Fangdamm oder Wasserfang zur zeitweisen Trockenlegung. Also genau das, was der Kofferdam in der Zahnmedizin ebenfalls bezweckt. Wir können nur mutmaßen, dass der Zahnarzt Barnum mit der Entscheidung für das halb amerikanische, halb deutsche “Kofferdam” bei seinen Patienten vielleicht durch einen Anklang an die schon damals in bestem Ruf stehende deutsche Ingenieurskunst Vertrauen wecken wollte…

Kofferdam heute

Der Kofferdam bildet eine undurchlässige, hygienische Schutzschicht zwischen Mundhöhle und Arbeitsfeld des Zahnarztes. Das macht ihn zu einem durch und durch zeitgemäßen “Werkzeug” der modernen Zahnmedizin. Die Vorteile im Schnelldurchlauf:

  • Behandlungsqualität: Der Kofferdam schafft ein trockenes, übersichtliches Arbeitsfeld für den Zahnarzt. Dadurch, dass das permanente Absaugen entfällt, haben Arzt und Personal die Hände für andere wichtige Handgriffe frei
  • Behandlungssicherheit: Reizende oder allergene Chemikalien sowie Fremdkörper können nicht in die Mundhöhle gelangen.
  • Infektionsschutz durch doppelten Barriereeffekt: Der Kofferdam gewährleistet nach innen und außen einen hygienischen Abschluss.

Heute besteht die elastische Membran des Kofferdams meist aus Latex verschiedener Stärken (für Patienten mit Latexallergie gibt es Alternativen, beispielsweise aus Silikon). Sie wird auf einem Rahmen über die gesamte Mundhöhle gespannt und mit einer Metallklammer fest am Zahn fixiert. Wenn nötig, wird durch die Kofferdamklammer auch das Zahnfleisch zurückgehalten, um etwas unterhalb der Zahnfleischgrenze liegende Teile eines Zahns für die Behandlung zugänglich zu machen.

Hier liegt auch eine Quelle möglicher Beschwerden für Patienten: ein gewisses Druckempfinden am Zahn und kleine Verletzungen des Zahnfleisches sind oft nicht zu vermeiden. Bei verstopfter Nase kann der Kofferdam nicht zur Anwendung kommen. Wer erkältet ist, sollte den anstehenden Zahnarzttermin allerdings ohnehin besser verschieben.

Kofferdam in der Endodontie

Der Erfolg einer Wurzelkanalbehandlung hängt ganz besonders von zwei Faktoren ab: Einerseits vom sorgfältigen und vollständigen Ausräumen und Reinigen aller Wurzelkanäle, andererseits von der effizienten Desinfektion des Zahns. Wurzelkanalbehandlungen unter Kofferdam isolieren die offen liegenden Kanäle von der Mundhöhle und verhindern damit sowohl den Eintritt von Keimen aus dem infizierten Zahn in die Mundhöhle wie auch von Keimen aus dem Speichel in die frisch desinfizierten Kanäle.

Zum Spülen der Wurzelkanäle eingesetzte desinfizierende Lösungen wie Natriumhypochlorid schmecken unangenehm und können das umliegende Zahnfleisch angreifen. Unter (beziehungsweise über…) Kofferdam hat der Zahnarzt beim Einsatz der Spüllösungen freie Hand.

Eine reale Gefahr in der Endodontie ist weiterhin auch das versehentliche Verschlucken oder Aspirieren der feinen Instrumente, mit denen der Zahnarzt beim Reinigen der Wurzelkanäle operiert. Plötzliches Erschrecken oder ein Hustenanfall genügen, die Konsequenzen sind ausgesprochen ärgerlich. Auch hier schützt der Kofferdam effektiv.

Aus den genannten hygienischen und Sicherheits-Gründen verlangen die Qualitätsrichtlinien der Europäischen Gesellschaft für Endodontologie ausdrücklich die Verwendung von Kofferdam für jede Wurzelkanalbehandlung.

Kofferdam beim Eingliedern von Keramikinlays

Beim Einkleben von Keramikinlays mit der Komposit-Adhäsivtechnik ist Trockenheit eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg. Kommen die aufgerauten und präparierten Oberflächen von Schmelz und Dentin mit Speichel, Blut oder auch nur der Feuchtigkeit in der Atemluft in Berührung, haftet der wasserabweisende Kompositkleber schlechter am Zahn. Der innige Verbund zwischen Inlay und Zahn ist damit in Frage gestellt. Das gefährdet nicht nur den Halt des Inlays und die hygienische Integrität der Kavität, sondern kompromittiert auch die stabilisierende Wirkung, die das Inlay auf den ausgehöhlten Restzahn hat.

Ähnliches gilt im Grunde auch für Kunststofffüllungen. Jedoch hat hier meist die Ökonomie das Primat: Die günstigen Füllungen werden durch den Einsatz eines Kofferdams natürlich auch teurer. Gerade für aufwändig schichtweise aufgebaute Kunststofffüllungen nutzen sorgfältig arbeitende Zahnärzte aber oft auch die Trockenlegung durch Kofferdam.

Kofferdam bei der Amalgamsanierung

Patienten, die ihre Amalgamfüllungen entfernen lassen möchten, weil sie um ihre Gesundheit fürchten, sollten auf der Anwendung von Kofferdam bestehen. Beim Herausbohren der alten Füllung wird in Form von Bröckchen, Staub und Dämpfen viel mehr giftiges Quecksilber freigesetzt, als über Jahre aus den intakten Füllungen sickert. Der Kofferdam verhindert das Verschlucken oder Einatmen von Amalgampartikeln oder -staub. Zu einer sicheren Amalgamsanierung gehört neben dem Kofferdam aber auch eine geeignete, langsame Bohrtechnik und ein effizienter Atemschutz für die Nase.

Vom Zahnarzt verlangt die Kofferdam-Technik eine sorgfältige Einarbeitung, vom Patienten etwas Langmut und Toleranz. Beides zahlt sich aus, denn Qualität und Sicherheit der zahnärztlichen Behandlung profitieren in den genannten Fällen sowie in einigen weiteren Fällen uneingeschränkt und deutlich von der Anwendung des Kofferdams. Weitere Fragen zum Thema beantworten wir Ihnen gern persönlich!


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